Freitag, 28. Juli 2017

Der Disconnect von Tantra

Geneigte Leser, die Zeiten bleiben karg, aber auch in der Wüste gedeiht einmal eine Blume. Ich fühlte mich neulich wie die Rose von Jericho, die mit einem Bisschen vom Richtigen aus der Dürre wieder aufblüht, als sei nie etwas gewesen.
Die Frohnatur ist weiter unpässlich. Doch neulich erinnerte sie sich wieder an die guten alten Zeiten, als sie voller Begeisterung von einer Tantra-Massage zurückkam. Schon damals hatte sie mir nahe gelegt, das erotische Spiel an der Grenze zur Transzendenz mitzumachen. Ich hatte stets Vorbehalte gegen jede Form sexueller Dienstleistung, nun hat sie im Gegenzug Fakten geschaffen und mich zu einem Termin angemeldet.

Am Ende des Hinterhofs führte die Treppe in den zweiten Stock des Hauses. Die Tür zum Studio öffnete sich und ich wurde sofort in ein Zimmer gelotst, mit Matratze auf dem Boden, dunklen, hohen Wänden, Orient-Deko ringsum und atmosphärischen Klängen aus dem Hintergrund. Die Chefin reichte Sekt und erklärte kurz die Regeln, bitte nichts in irgendwelche Körperöffnungen stecken. Das sei hier schließlich keine Prostitution. Danach wurden mir nacheinander drei Frauen vorgestellt. Ich entschied mich für Verona.

Dieser geordnete Vorgang, diese Professionalität, all das wirkte geschäftig und damit so gar nicht leidenschaftlich. Wie soll in einem so kontrollierten Umfeld Extase entstehen?

Da halfen auch die Small Talk Fähigkeiten von Verona nicht weiter. Nein, sie waren sogar fehl am Platz, als wir zum Auftakt unter die Dusche verschwanden. Das Wetter oder die Pläne für den Nachmittag zu besprechen, das passte nicht, als sie mir - halb anzüglich, halb pflegerisch - die Eier einseifte.

Schon irre, dass mich nicht mal der Anblick ihres nackten Körpers in Stimmung brachte. Die zierliche Gestalt mit schwarzen Haaren und mediterraner Hautfarbe war eigentlich genau mein Typ. Aber aus Höflichkeit habe ich sie nicht mal richtig angeglotzt.

Gegen die Höflichkeit griff ich zum Sekt, der auf einem runden Tischchen neben der Matratze des Zimmers stand. In einem unbeobachteten Moment habe ich das Glas weggeext.

"Leg Dich bitte auf den Bauch. Von mir aus auch mit Handtuch, aber ohne ist natürlich schöner. Und jetzt die Beine leicht auseinander. Achtung, jetzt kommt das Öl." Sehr sehr viele Anweisungen. Hätte sie eine Domina gespielt, hätte ich mir das vielleicht noch gefallen lassen. So konzentrierte ich mich statt mich hinzugeben.

Dabei war das eigentlich genau meins. Sie übergoss erst meinen, dann ihren Körper mit Öl, legte sich auf mich, glitt über meinen Rücken, "massierte" mich mit der Härte ihrer trainierten Muskelstränge. Dabei mühte sie sich um Stimmungsaufbau, atmete betont tief und betont nah an meinem Ohr.

So weit, so bemüht. Aber ich bekam nicht aus dem Kopf, dass hier jemand Erregung spielt, weil sie bezahlt wird. Das ganze Spiel um die Erotik ist für mich geprägt von Eroberung meinerseits und dem Erobertwerden meiner Partnerin. Ich habe das an anderer Stelle mal breit aufgefächert. Hier jedenfalls musste ich nichts tun, Verona strengte sich dagegen an. Wir standen damit in keiner wechselseitigen Beziehung zueinander.

Ich mühte mich deshalb um Bindungsaufbau, griff ihre Hand, wann immer Verona sich neben meinem Kopf abstützte. Sie setzte ihr Programm fort. Und ich wusste innnerlich, dass erst Teil Zwei interessant werden würde: wenn ich mich auf den Rücken legen und ihr in die Augen schauen würde.

In der Zwischenzeit suchte ich nach so etwas wie Entspannung - nicht ganz so einfach, wenn sie sich um meine Erregung bemüht, bei flüchtigen Handbewegungen unter meinen Körper an meinen Schwanz aber feststellt, dass sie nicht erfolgreich ist. Bezahlt oder nicht: ich habe den Anspruch, immer fickbereit zu sein.

Die Wende auf den Rücken brachte schließlich die Erlösung. Denn: Mein Gott, in glänzendem Öl sah dieser Körper noch eine ganze Ecke besser aus! Und sie präsentierte ihn aus allen Richtungen: flach auf mir liegend, gestreckt auf mir sitzend, mit dem Kopf zwischen den Beinen (Oberschenkelinnenseiten anpustend), mitunter rittlinks über meinem Gesicht kniend. Sie deutete jede gängige Stellung an.

Mit diesem Kopfkino hatte sie mich gekriegt.

Aber auch mit den menschlichen Zügen, die ich durch ihren Anblick entdeckte. Etwa, als sie kurz zur Erholung von mir runterkrabbelte, nachdem sie ihr Becken wohl etwas zu lange an meinem Oberschenkel geschubbert hatte (ich hab den Muskel angespannt ;) ) und fast die Kontrolle über sich verlor. Oder als sie sich entschuldigte, weil sie ins Schwitzen kam und auf mich tropfte. Als ob schwitzende Frauen weniger attraktiv wären als schwitzende Männer.

In diesen Momenten wurde sie menschlich, war sie mir sympathisch. Das hatte es gebraucht, um mich bei ihr wohlzufühlen und letztlich zwischen ihren glitschigen Fingern zu kommen.

Die Rose war erblüht. Die Lebenslust trug mich durch den Tag und es verging fast eine Woche, bis die Beschwingtheit nachließ. Lust im Auftrag bleibt weiterhin unvollständig. Aber es ist nicht wirkungslos.

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