Aber, geneigte Leser, könnt Ihr Euch das vorstellen? Ich bezahle eine Frau, damit sie für mich macht, was ich will und eine Show für mich veranstaltet. Das Streetgirl Melanie hat mal auf die Frage nach eigener Erregung und Orgasmus geantwortet:
"Zum Orgasmus kommt es aber quasi nie, weil ich mich nicht so weit fallen lasse, sondern gefühlsmäßig auf einer eher rationalen Ebene bin. Ein wenig Theaterspielen gehört dazu."Ich mag Melanies Blog sehr und habe Respekt für Ihre Arbeit. Aber aus "Kundensicht" reduziert sich Sex mit einer Hure auf etwas Technisches. Genau das, was auch Vicki Amesti neulich in ihrem Blog kritisiert hat. Für einen Höhepunkt kann ich es mir auch selbst machen. Aber gerade das ist mir ja zu wenig.
Was macht eine Affäre also besser als der Besuch beim Freudenmädchen? Eine Kommentatorin hat die These aufgestellt, mir ginge es gar nicht um körperliche Befriedigung, sondern lediglich um die Eroberung. Demnach besteht der Kick darin, eine Frau, die frei in ihrer Entscheidung ist, dazu zu bringen, dass sie sich mir hingeben will. Daran könnte was dran sein. Ich denke, geneigte Leser, Ihr werdet mir zustimmen, dass Eroberungen hervorragend für das eigene Ego sind. Und je schwieriger die Eroberung war, desto größer das Selbstbewusstsein, wenn man es doch geschafft hat. Das kann für die folgende Extase ganz hilfreich sein.
Was gilt eigentlich als Eroberung? Die Telefonnummer einzusammeln? Der erste Kuss (bei mir eine entscheidende Schwelle auf dem Weg zur Verführung)? Der erste Höhepunkt? Oder das Wissen, ihre Extase steuern zu können? Und was kommt danach? Endet die Lust an dem Punkt, bei dem man die Frau erobert hat? So wie der Vicomte de Valmont in Gefährliche Liebschaften? Das kann doch schwer das Ende sein. Wie ich neulich in einem hörenswerten Feature im Deutschlandfunk gelernt habe, gibt es das pathologische Verhalten des Casanova-Komplexes, bei dem Männer zwanghaft Frauen erobern müssen.
Das Schwierige bei dem Eroberungsmotiv ist, dass es so linear ist. Als gäbe es den aktiven Eroberer und die passive Eroberte. Und der Eroberte müht sich so lange, bis er das kriegt, was er will. Aber vielleicht weiß er gar nicht, was er am Ende kriegt. Claudius Seidl hat in der FAZ neulich auf das Rollenspiel beim Sex hingewiesen.
"Sexualität ist eben auch ein Teil der sozialen Praxis, in welcher Rollen ausgehandelt und gespielt werden und der Einzelne sich zurechtzufinden versucht, indem er die anderen beobachtet und mit ihnen interagiert."Diese Rolle ist bei jedem Gegenüber eine neue, unbekannte. Und in dieser Rolle muss man auch noch mit dem Gegenüber interagieren. Der Versuch sich zu behaupten, ist mühsam. Und das Ergebnis ist ungewiss. Sex ist ein Spiel! Und Spiele bleiben spannend, weil man den Ausgang zwar beeinflussen, aber nicht bestimmen kann.
Ich wage jetzt mal eine steile These: Sex ist so lange prickelnd, bis die Rollen ausgehandelt sind. Danach fehlt der Kick. Danach würde eine Affäre langweilig und so vorhersehbar wie der Besuch eines Freudenmädchens. Damit ist eine Affäre zwar zeitlich nicht so gut abgrenzbar. Aber sie hat ein Ende. Im Gegensatz zu einer guten Beziehung.